Wenn wir Texte schreiben, neigen wir dazu, uns „wertvoll“ auszudrücken. Eine Technik, die dazu im Deutschen mit seinen langen Wörtern naheliegt, besteht darin, Wörter noch einmal zu verlängern. Dabei entsteht etwas, das ich gern als „Plusterwörter“ bezeichne: Ausdrücke, die sich künstlich aufblähen, damit sie größer, wuchtiger und beeindruckender erscheinen.
Der Nachteil solcher Plusterwörter ist ähnlich wie bei Gewürzen: zu viel ist zu viel, und das geht schnell. Ein „überwürzter“ Text ist dann oft schwer zu verstehen. Es kann so wirken wie Dampfplauderei, die mehr scheint als sie ist oder sogar etwas vertuschen soll.
Hier ist eine Liste typischer Plusterwörter mit Vorschlägen, wie man sie durch einfachere Ausdrücke ersetzt. Ich will damit nicht Sprachpolizei spielen und niemanden bloßstellen. Es geht um Hinweise, wie man den Grundsatz „weniger ist mehr“ (der erstaunlich oft zutrifft) mit einfachen Mitteln anwenden kann.
Eine subjektive Liste von Plusterwörtern
Plusterwort |
Beispiel |
Besser |
Kommentar |
Technologie |
Unser Produkt nutzt eine neue Technologie |
Technik |
Technologie ist in dieser Verwendung ein Anglizismus. Im Deutschen bezeichnet das Wort eher die Wissenschaft von einer Technik, aber nicht eine konkrete Technik. |
Erwartungshaltung |
Wie ist Ihre Erwartungshaltung an unser Gespräch? |
Erwartung Wunsch Anforderung |
Eine „Erwartungshaltung“ zeigt jemand, der sich nur zurücklehnt und von anderen erwartet, dass er etwas von ihnen bekommt, ohne dass er selbst etwas dafür tut. Der Begriff ist abwertend-kritisch gemeint. |
Zielkonflikt |
Wir haben da einen Zielkonflikt. |
Konflikt |
Ein Konflikt besteht eigentlich immer zwischen unterschiedlichen Zielen. Ein Zielkonflikt wäre also sowas wie eine Haarfrisur. |
Aufgabenstellung |
Die Aufgabenstellung, die wir zu bearbeiten haben … |
Aufgabe |
Aufgabenstellung ist ein Metabegriff: Zu einer gegebenen Aufgabe sieht man sich an, wie sie gestellt ist, also etwa wie sie formuliert wurde. Meist ist aber einfach eine Aufgabe gemeint. |
Problemstellung |
Problem |
Siehe Aufgabenstellung |
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Fragestellung |
Frage |
Siehe Aufgabenstellung |
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Hilfestellung |
Hilfe Unterstützung |
Allgemein sind Wörter auf -stellung meistens Plusterwörter. Siehe Aufgabenstellung, Problemstellung. |
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Räumlichkeiten |
Unsere neuen Räumlichkeiten sind eröffnet. |
Räume Zimmer Büros bei uns |
Die Räumlichkeit ist ein abstrakter Begriff, der sich am ehesten für das Erleben eines Raums eignet oder mit dem man ein großes dreidimensionales Gebilde von etwas Kleinem, Flachem unterscheiden kann. Ein Raum hat natürlich eine Räumlichkeit, gemeint ist aber fast immer schlicht: das Zimmer. |
Regularien |
Regeln |
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Bedürfnisse |
Wie sind denn Ihre Bedürfnisse? |
Bedarf Wunsch |
Ein Bedürfnis habe ich, wenn ich zur Toilette muss. Mehrere Bedürfnisse habe ich, wenn ich hungrig und durstig bin und ins Bett möchte. |
Risikopotenzial |
Das birgt ein enormes Risikopotenzial. Variante: Das ist ein potenzielles Risiko. |
Risiko |
Ein Risiko ist immer potenziell, sonst wäre es kein Risiko, sondern ein Schaden. |
Restrisiko |
Es besteht ein erhebliches Restrisiko. |
Risiko |
Ein Restrisiko betrachtet man, wenn alle wesentlichen Risiken ausgeräumt sind. Das, was dann noch an Gefährdung bleibt, klassifiziert man dann als Restrisiko, das man vernachlässigen kann. Selten ist das wirklich gemeint, meist geht es um ein Risiko, und zwar ein gravierendes. |
Funktionalitäten |
Unsere Software hat neue Funktionalitäten. |
Funktionen Funktion |
Die Funktionalität ist die Gesamtheit der Funktionen oder auch die Tatsache, dass etwas funktioniert. |
Zielsetzung |
Meine Zielsetzung ist … |
Ziel |
Ähnlich wie -stellung deutet auch die Endung -setzung fast immer auf Plusterwörter hin. |
Begrifflichkeiten |
Ich erläutere kurz meine Begrifflichkeiten. |
Begriffe Ausdrücke Wörter Sprache |
Wörter auf -lichkeit sind ebenfalls meist Plusterwörter. Sie bezeichnen abstrakte große Zusammenhänge oder Gesamtheiten, wo eigentlich über Details geredet wird. |
Bauchgefühl |
Mein Bauchgefühl sagt mir … |
Gefühl Intuition Vermutung |
Durch den Bauch wird es noch gefühliger, aber tatsächlich sind Bauchgefühle oft Magenschmerzen. |
Hintergrundwissen |
Dazu braucht man einiges Hintergrundwissen. |
Wissen |
Der “Hintergrund” ist keine Besonderheit – Wissen hat man immer irgendwie hintergründig. |
Thematik |
Das ist eine Thematik, die … |
Thema |
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Problematik |
Diese Problematik führt dazu … |
Problem |
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Diagnostiken |
Die Diagnostiken, die uns dazu bewegen … |
Diagnose Erkenntnis Beobachtung |
Auch hier: Diagnostik ist das Vorgehen, zu einer Diagnose zu kommen, die eigentlich gemeint ist. |
Erfahrungswerte |
Wir haben dazu viele Erfahrungswerte. |
Erfahrung |
Wer dieses Wort verwendet, meint selten einzelne Werte, sondern meist seine Erfahrung. |
Praxiserfahrung |
Praxis Erfahrung |
Praxiserfahrung ist klassisch doppelt gemoppelt. |
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Erfahrungspraxis |
Viele Tipps aus unserer Erfahrungspraxis … |
Praxis Erfahrung |
Wenn man es umdreht, plustert sich das Plusterwort Praxiserfahrung noch mehr auf. |
Erfolgserlebnis |
Erfolg |
Das Erfolgserlebnis ist eine psychologische Kategorie, meist bezogen auf Menschen, die eben selten erleben, dass sie erfolgreich sind. |
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Rückfragen |
Fragen |
Es gibt zwar ein Hinspiel und ein Rückspiel, aber eine Rückfrage nicht. |
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Rückantwort |
Antwort |
Eine Antwort kommt immer irgendwie „zurück“, sonst ist sie ja keine Antwort. Das Wort ist aber unsinnig. |
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frühzeitig |
früh |